Am Hasso-Plattner Institut in Potsdam findet zweimal jährlich eine Design Thinking Woche statt. Diese Woche gibt den Teilnehmenden einen intensiven Einblick in die Design Thinking Methode und gibt die Chance, an einem konkreten Case mit der Methode zu arbeiten. Auch ich hatte die Gelegenheit, diesen Herbst daran teilzunehmen. Konkret war die Aufgabenstellung der Woche, ein neues Raumkonzept für ein größeres, deutsches Familienunternehmen zu gestalten, sowohl für das Head Office als auch für die Arbeitenden in den Logistikzentren. Mein Team war für das Head Office zuständig.
Wie können wir einen „Ideal Workplace“ für ein traditionelles Unternehmen gestalten? Und warum braucht es überhaupt ein neues Raumkonzept? Sind diese Neuerungen nur ein schöner Schein nach außen, um den wahren Kern der Probleme zu überdecken?
Eines ist sicher: Unsere Mission ist es, Veränderung zu schaffen – eine positive Veränderung durch ein neues Raumkonzept, aber auch ein neues Verständnis von Zusammenarbeit unter den Mitarbeitenden.
Die Bürowelt von morgen zeigt stolz modernste Räume mit verschiedenen interaktiven Workspaces, in denen sich jeder wohlfühlen und am besten auf der Arbeit neben „Produktiver sein“ auch „Zuhause fühlen“ soll – Das ist ein hoher Anspruch an ein Raumkonzept! Die Idee an sich ist richtig und falsch zugleich. Richtig, weil die räumliche Umgebung tatsächlich wichtig ist, falsch, weil ein noch so innovatives Raumkonzept nicht die Lösung aller Probleme ist und oft nur oberflächlich Hilfe verschafft. Ein Büro mit einem Creative Space wirkt beeindruckend, wenn ihn aber keiner verwendet, ist der Sinn und Zweck dieser Maßnahme natürlich zu hinterfragen. Es ist vielmehr nötig, nicht nur ein neues Raumkonzept zu bieten, sondern die Zusammenarbeit selbst zu verändern. Durch die Digitalisierung müssen Prozesse schneller ablaufen können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen und müssen die Möglichkeit haben, sich schneller und unkomplizierter auszutauschen und sie wollen, dass ihnen Vertrauen entgegengebracht wird. Doch wie implementiert man diese, wenn der Ansatzpunkt das Bürokonzept ist? Die Aufgabe ist schwierig und es ist nicht gesetzt, dass sie lösbar ist. Wir stellen uns der Herausforderung.
Understand-Observe
Der Design Thinking Prozess wird in sechs verschiedene Stufen aufgeteilt: Understand – Observe – Point of View – Ideation – Prototype – Test. In den ersten beiden Stufen, dem Verstehen und Beobachten, geht es darum, das Problem zu durchdringen und aus verschiedenen Sichtweisen zu hinterfragen. In unserem Fall dienten dazu ausführliche Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens.
Point of View
Im dritten Schritt, dem „Point of View“ trägt man die neu gewonnenen Kenntnisse zusammen, tauscht sich aus, visualisiert und kommt in der Gruppe auf einen gemeinsamen Wissensstand. Ein wichtiges Element von Design Thinking ist die Auffassung, dass Teams mit verschiedensten Hintergründen die besten Lösungen hervorbringen. Hierbei ist es möglich und auch wünschenswert, dass Widersprüche zwischen den einzelnen Erkenntnissen auftauchen. Danach geht es darum nach dem „What’s beyond?“ zu fragen – also was steht eigentlich hinter den Bedürfnissen.
Unser „What’s beyond“ gliederte sich in vier Bereiche:
Ideation
Wir hatten beschlossen, uns im folgenden Prozess auf den Punkt des gegenseitigen Vertrauens zu konzentrieren und machten uns – dies gehört laut Methode zu Ideation – an einen aufschlussreichen Brainstorming Nachmittag. Es wurden sehr viele Post-Its mit sehr vielen Ideen sortiert, gruppiert, bewertet, nochmal sortiert und wieder bewertet. Am Ende standen folgende zwei Ideen im Raum:
Prototype and Test
Ein weiterer wesentlicher Punkt des Design Thinking ist es, neben der Zusammenarbeit von interdisziplinären Teams, iterative Prozessschritte zu initiieren und Prototypen immer wieder zu testen. Also wird getreu dem Motto „Einfach machen“ gebastelt, gefilmt, fotografiert, umgestellt, umgebaut oder gezeichnet – eine innovative Lösung kann sich entwickeln, muss sie aber nicht, denn ein weiterer Grundsatz ist die offene Fehlerkultur – Hinfallen ist erlaubt und manchmal sogar gewünscht.
Auch bei der Gruppe der Global Design Thinking Week am HPI wurde „geprototyped“ was das Zeug hält und beide unserer Ideen wurden langsam zum Leben erweckt.
Was bleibt
Durch mehrere Runden der Testphasen hindurch und das Scheitern unserer Rollentausch-Idee stand am Ende schließlich unser präsentierbarer Lösungsansatz eines Workshop Spaces mit einer Terrasse und der Möglichkeit draußen zu arbeiten sowie, als lebendes und sich entwickelndes Element des Workshop Spaces ein „Idea-Board“, ein „Workshop-Board“ und ein „Recognition-Board“. Diese drei sollten dazu dienen, neue Insights und Inputs im Unternehmen zu verankern und die Mitarbeiter auch in neuen Bereichen zu schulen. Auch eigene Projekte können – so war unser Plan – initiiert werden.
Gerade das Erkunden eigener Interessen und das Arbeiten abseits der eigenen vom Arbeitgeber vorgegebenen Grenzen, wurde von uns besonders betont. So haben wir versucht, sowohl die Führungsebene, als auch die Mitarbeitenden davon zu überzeugen, dass ein hübscher Raum allein nicht alles ist. Völlig im Klaren darüber, dass unser Lösungsansatz keine Weltrevolution bedeutete und nur ein kleiner Schritt in Richtung Veränderung war, überließen wir die Factory unseren Kunden – nun ist es ihre Aufgabe hier anzusetzen. Denn so innovativ Design Thinking auch ist, die Umsetzung und das, was man in der Realität daraus macht, bleibt doch Aufgabe der Kunden selbst und der Erfolg ist letztlich davon abhängig, inwiefern man überhaupt Erfolg haben möchte und sich traut, neue Wege einzuschlagen.