Sommerbier Plus – Agile Organisationen

Agil macht weder glücklich, noch erfolgreich. Aber wir machen es trotzdem! 

Mit diesem Stichwort startete am Donnerstag die Diskussion zum Thema agile Organisationen. 

Neben über vierzig Interessierten diskutierte Kai Voigt mit Burkhard Lustig von der Musiksoftwarefirma Ableton und Patrick Wilke, der als Change Facilitator die Agilisierung im Konzernumfeld vorantreibt, den Reiz aber auch die Herausforderungen agiler Organisationen. 

Bei Ableton ist agiles Arbeiten in den letzten Jahren aus der reinen Softwareentwicklung auch im restlichen Unternehmen angekommen. Die Herausforderung besteht darin, dass auf Prozessebene mittlerweile agil gearbeitet wird, dies aber auf Organisationsebene noch nicht überall berücksichtig wird. So ist auch ein Product Owner immer noch von bürokratischen Freigabeprozessen abhängig, die den Prozess- und Geschwindigkeitsvorteil teilweise wieder ausbremsen. Die Einführung ist also nicht ganz einfach, und auch die Terminologie bereitet Schwierigkeiten. In den Begriff des Product Owners und Scrum Masters projiziert schließlich jeder, was er möchte. Trotzdem ist der Spirit bereits angekommen. „Wir haben eine Akzeptanz für Unfertiges entwickelt. Dieser Geist hilft uns massiv“, sagt Burkhard Lustig. 

Einige der Probleme kennt auch Patrick Wilke aus der Konzernumgebung. In der Erwartung, mit “Agil” würde alles „günstiger, besser und schneller…“, wird in seiner Umgebung manchmal der Anspruch formuliert, generell ‚alles’ zu agilisieren.“ Auch wenn es dazu führt, dass man versucht, Weihnachtsfeiern nach Design Thinking Prinzipien zu konzipieren oder dass die gute alte To-Do-Liste plötzlich Kanban Board heißen muss.

Die Erfahrung im Konzern zeigt, dass hauptsächlich die Abteilungen und Teams von der Agilisierung profitieren, die ohne große Vorbereitung ins Tun kommen. Dort, wo alle Beteiligten erst einmal zertifiziert und die „Agilisierung“ per Wasserfall geplant wird, passiert meist recht wenig, außer dass agile Methoden als genauso kompliziert und starr wahrgenommen werden, wie jedes bisherige Vorgehen auch.

Das hat aber oft damit zu tun, dass wichtige Teilhaber nicht wissen, welche Rolle sie dann noch spielen werden. „Im Buch steht nämlich nicht: Die Führungskraft wird dann… Da steht nur etwas vom Team und den unterschiedlichen Rollen”. Wenn dann auch noch die bisherige Kontrollfunktion der Hierarchie ersetzt wird durch Peer Pressure im Team, dann ist der Übergang zu „Agil“ ein Auslöser für Ängste und Skepsis bei allen Beteiligten.

Generell zeigt sich, dass dort, wo Mitarbeiter performen wollen, die Agilisierung es ihnen erlaubt fast alles in der Organisation schneller und effizienter zu tun. Dort, wo sich einzelne eher verstecken wollen, wirkt die mit der Agilisierung verbundene Visibilität des einzelnen eher negativ. Aber gerade innerhalb von Teams entsteht zunehmend ein gemeinsames Arbeitsverständnis und eine Wertekonformität, die die Organisation in Teilsilos/Bereichen deutlich, nun ja, agiler macht. 

Zusammen mit einer hohen Identifizierung mit der Unternehmensstrategie wirkt sich die zunehmende Agilisierung bei Ableton auch dahingehend aus, dass die Mitarbeiter erfüllter und ungestörter die gleiche Arbeit leisten. Was sich konkret auch in geringem Krankenstand und einer kaum vorhandenen Fluktuation übersetzt. Auch Patrick Wilke stimmt zu, dass unter dem Strich Teams nicht mehr zurückwollen, sobald sie einmal „True Agility“ gelebt haben.

 In zehn Jahren, da sind sich beide Diskutanten einig, wird der Hype um Agilität vorüber sein. Allerdings im positiven Sinne: Werte und Methoden haben sich durchgesetzt und sind so normal geworden, dass sie keiner Definition mehr bedürfen.  

Tipps zur Einführung: 

Bei der Einführung von agilen Arbeitsformen gibt es nicht die eine Lösung. Bei Ableton hat sich gezeigt, dass anfangs das Festhalten an Formaten noch Stabilität in der neuen Umgebung verleiht. Nach drei bis vier Monaten kann dann, auch mit Hilfe der Agile Coaches, zu den einzelnen Formaten eine sinnvolle Variation geschaffen werden. 

Im Konzernumfeld empfiehlt Patrick Wilke einen dreistufigen Prozess. Im ersten Jahr sollte es eigentlich nur um die Schulung von Mindset gehen: „Kein blaming, kein complaining, no excuses“, wie Wolfgang Jenewein von der Uni St. Gallen unseren Führungskräften jüngst ganz richtig als Haltungsempfehlung mitgegeben hat. Die Führungskräfte müssen sich außerdem einig in der Frage sein: Warum wollen wir die Agilisierung? Welche Prozesse & Teams agilisieren wir, welche erstmal nicht?

Im zweiten Schritt können dann ganze Einheiten, Kosmen und/oder Inseln umgekrempelt werden, die idealerweise möglichst wenig Abhängigkeiten haben und in sich gesichert sind. 

Erst im letzten Schritt sollten Angebote zur Schulung und Zertifizierung erfolgen. 

So spüren die Mitarbeiter die Effekte einer Agilisierung bevor sie sich allzu lange theoretisch damit beschäftigen.