Wandel als Chance begreifen

Wie Organisationen sich gut für unsichere Zeiten aufstellen können. Ein Interview mit Rouven Schirmer, Partner bei Summer&Co.

Psychologisch gesehen löst Veränderung bei uns Menschen ja erstmal eins aus: Unsicherheit und Stress. Wir sind kognitiv gefordert, denn Veränderung bedeutet immer auch Arbeit, oft ist sie mit Ängsten verbunden. Ähnliches gilt für größere Systeme, wie z.B. Organisationen. Veränderungsprozesse sind arbeitsintensiv, zeitweise leidet die Produktivität. Daher mal ganz grundsätzlich gefragt: warum sollte denn Wandel überhaupt als Chance begriffen werden?

Rouven → Ob es uns gefällt oder nicht: die Zeitintervalle, in denen wir auf veränderte Umfeldbedingungen reagieren müssen, scheinen sich tendenziell zu verkürzen - nehmen wir allein die letzten Jahre mit rasant fortschreitender Digitalisierung, Pandemie, Krieg, Inflation etc… Wir haben in vielen Fällen gar nicht die Option, uns diesem äußeren Wandel zu widersetzen. Aber wir haben zumeist Möglichkeiten, unsere Reaktion darauf aktiv und bewusst zu gestalten. Und den Wandel auch als Chance zu begreifen, um neue Ideen zu verwirklichen oder uns von überholten Zuständen der Vergangenheit zu befreien. 

Und welche Potenziale siehst du für Organisationen, wenn dort Wandel als Chance begriffen wird?

Rouven → Es wird ja immer offensichtlicher, dass wir mit zentralen Logiken auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene in einer Sackgasse stecken. Wir müssen weg von unserem egomanischen Höher-Schneller-Weiter hin zu einem achtsamen Miteinander, in dem Beziehungen und Werte wieder wichtiger sind als Geld und Macht. Organisationen können auf diesem Weg einen entscheidenden Beitrag leisten, z.B. indem sie für sich Unternehmenserfolg neu definieren. Wir brauchen Unternehmen, die dem ökologischen und sozialen Impact mindestens denselben Stellenwert beimessen wie finanziellen Kennzahlen. Wenn man beginnt, Erfolg neu zu denken, entstehen im Übrigen recht schnell neue, spannende Geschäftsmodelle, die eine Win-Win-Situation für Unternehmen und Umwelt darstellen! 

„Erst wenn es hier einen ernsthaften Willen zur Veränderung gibt, lassen sich erfolgreiche Transformationsprozesse gestalten“

Gibt es ein Erfolgsrezept, um eine positive Einstellung zur Veränderung zu bekommen?

Rouven → Zunächst einmal braucht es aus meiner Sicht an zentralen Stellen eine ehrliche Auseinandersetzung über Sinn und Zweck der jeweiligen Organisation. Dabei werden wir oftmals auch grundlegende Narrative und Glaubenssätze aus der Vergangenheit in Frage stellen müssen. Erst wenn es hier einen ernsthaften Willen zur Veränderung gibt, lassen sich erfolgreiche Transformationsprozesse gestalten. 

Welche Möglichkeiten haben Organisationen denn eigentlich, um sich auf Veränderung einzustellen?

Rouven → Im 20. Jahrhundert haben Unternehmen sehr erfolgreich nach der Predict & Control-Logik gehandelt. Es wurden in rollierenden Zyklen strategische Ziele festgelegt und diese mit Instrumenten der Unternehmenssteuerung umgesetzt. Heute brauchen Unternehmen darüber hinaus eine Sense & Response-Logik. D.h. sie brauchen Strukturen und Prozesse, die bei Bedarf flexibel und dynamisch auf neue Anforderungen reagieren können. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: wenn sich eine Organisation unterschiedlicher Entscheidungsprinzipien bedienen kann, dann lässt sich bei Bedarf Verantwortung dezentralisieren, um besser auf komplexe oder gar chaotische Zustände reagieren zu können. 

Was braucht es aus deiner Erfahrung, damit Veränderung in Organisationen gelingen kann? 

Rouven → Allen voran braucht es vermutlich eine offene und wertschätzende Kommunikationskultur. Dann werden auch die emotionalen Faktoren der Veränderung besprechbar, die entweder im Vorfeld da sind oder sich im Verlauf eines Transformationsprozesses ergeben. Und natürlich braucht es auch eine offene und ehrliche Verständigung über Notwendigkeit, Ziel oder Vision der Veränderung selbst. 

… Und was, damit es richtig schiefläuft? 

Rouven → Eben das Gegenteil: Wenn versucht wird, eine Veränderung mit Druck oder Zwang gegen große Widerstände durchzudrücken ohne Wertschätzung und Würdigung der Vergangenheit, kann schwerlich ein gutes Ergebnis herauskommen. 

Organisationen haben heute enormen Transformationsdruck, oft auf mehreren Ebenen gleichzeitig (z.B. Digitalisierung und Nachhaltigkeit). Wie gelingt es, diese ganzen Themen effizient zu managen, wenn gleichzeitig das Daily Business stattfinden muss? 

Rouven →Eine gute und berechtigte Frage. Zumal der Zeitbedarf von erfolgreichen Transformationsprozessen regelmäßig unterschätzt wird. Hier bedarf es gute Priorisierung, um die Organisation nicht zu überfordern. Insbesondere sollten Organisationen aber daran arbeiten, ein grundsätzliches Mindset der Veränderungsbereitschaft zu entwickeln. Oder, um auf die Ausgangsthematik zurückzukommen: Wenn der Wandel als Chance begriffen wird, tut sich die Organisation mit dem Transformationsdruck auf vielen Ebenen natürlich viel leichter, als wenn sie permanent Widerstände ausbildet. 
Und es soll an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, dass Veränderung nicht immer die einzig mögliche oder richtige Reaktion ist! Es gibt in vielen Situationen auch sehr gute Gründe dafür, sich bewusst gegen eine Veränderung (bzw. für eine Nicht-Veränderung) zu entscheiden und bspw. auch mal einen Trend auszusitzen. Die Betonung liegt dabei auf bewusst.

Kannst du ein bisschen aus der Beratungspraxis erzählen? Welche Cases fallen dir ein, in denen Organisationen das Thema Haltung zum Wandel gut gelöst haben? Wie ist das gelungen? 

Rouven → Ein großartiges Beispiel sind sicherlich die Bergfreunde, die das Thema Nachhaltigkeit vor ein paar Jahren fest in ihrer Strategie verankert haben und es seither auf beeindruckende Weise vorantreiben. Ein gänzlich anderes Beispiel ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin, welches ich seit einigen Jahren dabei begleiten darf, auf Anforderungen der Digitalisierung und einer sich verändernden Arbeitswelt zu reagieren. Dort werden die Mitarbeitenden mithilfe von jährlichen Befragungen, transparenter Kommunikation sowie laufbahnübergreifenden Initiativen in den Transformationsprozess einbezogen. Auf diese Weise konnte bereits die ein oder andere Veränderung erfolgreich umgesetzt und der Boden für ein vertrauensvolles Miteinander gestärkt werden.

Wie stehst du persönlich zum Thema Wandel? Was hilft dir, um dich auf Veränderungen einzulassen? 

Rouven → In den Gebieten, wo meine Interessen und Stärken liegen, fällt es mir leicht, neugierig und aufgeschlossen gegenüber Veränderung zu sein. In anderen Bereichen ist es auch für mich ein anhaltender Prozess, das Augenmerk auf die Chancen von Veränderungsprozessen zu richten. Dabei hat mir persönlich sehr geholfen zu verinnerlichen, dass Veränderung nicht unbedingt bedeutet, dass das bisherige schlecht war. Es gibt nur gute Gründe - oder halt Chancen - es künftig anders zu machen. 

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